Freier Künstler aus Kassel

Patterns that connect – Eine Verbindung von Menschen und Orten

Patterns verweisen auf Orte der Begegnung oder Orte des Miteinanders.
Es sind Orte, an denen der zwischenmenschliche Umgang eine besondere Bedeutung erfährt.

Eröffnungsrede 2003 von Doris Krininger

Lutz Kirchner, Patterns that connect,

„Warst Du schon mal in Amsterdam? Amsterdam ist schon toll (…)“ Mit dieser fragenden Feststellung beginnen die autobiografischen Aufzeichnungen eines künstlerischen Werdegangs, der nun, hier vor Ort räumlich exponiert und fest installiert Station genommen hat. Satt ultramarin schiebt sich eine Fassadengestaltung, schon von Weitem durch das leicht erhabene Straßenniveau sichtbar dem Vorübergehenden in den Blick. Kompakte, organoide Formen umziehen teils gedehnt, teils gestreckt die obere Eckzone des hiesigen Wohnkomplexes. Sie sind lose, ohne gegenseitige Berührung platziert und scheinen dennoch miteinander in Verbindung zu stehen. Erst beim genauen Hinsehen wird deutlich, dass es sich bei dem, vom Verputz kühl abhebenden Blau nicht um Freskomalerei oder vergleichbare Farbapplikationen handelt. Vielmehr integrieren sich assemblage ähnlich Flächen von insgesamt 10 Plexi-Elementen hochgesetzt und luftig in die Mauerwand.
„Patterns that connect“ betitelt Lutz Kirchner diese, seine Abschlussarbeit und analog dazu „Beziehungen“ den bereits erwähnten Text.
„Amsterdam ist schon toll, und für mich auf jeden Fall der Anfang von einem Weg auf dem ich mich noch immer befinde.“ 1996 zog Lutz Kirchner für ein zweijähriges Studium an der Gerrit Rietveld Academie nach Amsterdam. Die Stadt inspirierte nachhaltig und kontrastreich zu der erfolgreich absolvierten, dennoch recht biederen Steinmetzlehre. Künstlerisch prägend allerdings wurde Amsterdam, als die Idee zu „Patterns that connect“ dort ihren Anfang fand.
Private Kontakte vermittelten ein Auftragsangebot für eine Gruppenskulptur, die an Hilfe und Schutzgewährung vor dem Nationalsozialismus erinnern sollte. Der dabei gewünschte konventionelle Denkmalsgedanke gab Anstoß und Provokation zugleich. Die Gepflogenheiten memorialer Tradition galt es gezielt zu unterlaufen, doch bloß „kein Denkmälchen“ anfertigen, aber auch nicht den „Klassiker ins Wanken bringen“. Lutz Kirchner entschied sich jenseits von verniedlichender Miniatur zum einen und spektakulärem Sockelsturz zum anderen für den grenzgängerischen, eigenen Weg. Er wählte den zeitintensiven Prozess der Suche, für die Essenz des Themas einen angemessenen Ausdruck zu finden, dem Motiv von freundschaftlicher und politischer Verbundenheit entsprechende künstlerische Materie zu geben. Korrespondenzen mit dem Auftraggeber, eine Art geistiger Mentorenschaft begleitete übrigens lange die Arbeitsvorbereitungen, die sich zunehmend von der Ausgangssituation lösten, sich autonomisierten, eine ganz andere Richtung einschlugen.
Angeregt von den afrikanischen family-trees, Holzplastiken die gleich einem Baum verzweigt oder zylindrisch aufeinanderaufbauend die Mitglieder eines Clans in der jeweiligen Stammesemblematik zeigen, konfigurierte sich das Projekt, gewannen die „Pattern“ mehr und mehr an Gestalt.
Lutz Kirchner hat sich während seines Studiums immer wieder in den unterschiedlichsten Medien mit dem menschlichen Körper beschäftigt. Nicht die jeweiligen Physiognomien allein, sondern deren Umrisse und damit die Wahrnehmung des sie umgebenden Raums bestimmten das künstlerische Interesse. „Die Herausforderung besteht darin, die Konturen der Menschen nicht einfach abzumalen. (….)Es ist nicht nur der Körper, der eine Kontur hat. Der Raum um den Körper charakterisiert dieselbe Kontur“.
Ob gegenständlich ausgeführt oder abstrakt übersetzt, Körper und Korpus definieren sich nicht mehr nur über tragende Linienführung, sondern verlagern sich intentional in die ausgesparten Zonen, dem zu absorbierenden „negative space“ .
Wieder in Deutschland und an der Kasseler Kunsthochschule realisierte sich das Konzept 2001dort und in einem Beitrag zu einer Gruppenausstellung in Schwerte. Diese erste Version materialisiert in einer Wandmontage aus monochrom blauen Acrylschablonen lebensgroß die herausgefilterten Bereiche zwischen sich berührenden Körperumrissen. Der in der bildenden Kunst ikonografisch untergeordnete, häufig bedeutungslose Hintergrund wird als Extrakt zum einzig signifikanten Träger, zum ‚Content’, zur Botschaft. Eine genregegebene Leerstelle füllt sich mit Inhalt. Als Pattern, als Muster angelegt, aber der ornamental ausschließlich gliedernden Funktion enthoben , formieren sich neu determinierte Icons. „Das Negativ steht für das Eigentliche……das, was zwischen Menschen möglich ist, im wörtlichen, wie im übertragenen Sinne.“ Künstlerisches Anliegen und faktisches Vorgehen pointiert die zwei Jahre später durchgeführte „PatternAktion“. Über 20 Mitglieder der Genossenschaft, in der Lutz Kirchner inzwischen lebt, bespielten drei je 6 mal 7 Meter umfassende Papierbogen. Haltung und Gestik blieben jedem selbst überlassen, nur Bodenlage und gegenseitige Berührung war als choreografische Anleitung benannt. Das gesamte Szenario wurde mit Kreide in seiner Außenkontur fixiert, der „negative space“ als Pattern abgenommen und anschließend als eine Art körperliche Kartographie kompositorisch vernetzt.
Mit der performativ angelegten Aktion und ihrem jetzigem durchgearbeiteten Resultat ist schlussendlich doch ein Denkmal, allerdings in dessen purer, ursprünglichster Bedeutung entstanden. Ein Zeichen zum Denken, ein Signal zum Nachdenken greift herausragend positioniert, vom privaten in den öffentlichen Raum.
Die, dem Pattern inhärente Wiederholbarkeit symbolisiert die permanent passierenden Beziehungsgeflechte kleiner und großer Gemeinschaften, markiert den mobilen, jederzeit übertragbaren Charakter der Plastik. Es ist eine kommunikative, eine –durchaus im Sinne von Joseph Beuys soziale Plastik- die in dem Maße funktioniert, wie sich konkret und künstlerisch überall Netzwerke und Vernetzungen installieren lassen.
„Ich glaube, die Arbeit ist dann gut, wenn sie springt“ so Lutz Kirchner und das ist mit „Patterns that connect“ gelungen. Die Pattern Springen ins Auge und fordern, nicht zuletzt wegen ihrer intensiven Farbwirkung zum Lesen auf. Einen Effekt, den Goethe schon beschrieb: „(…)Deshalb sehen wir das Blau so gerne an, nicht, weil es auf uns dringt, sondern weil es uns nach sich zieht“

Doris Krininger, Kassel November 2003

Menschliches Netzwerk

Auf dem Boden liegende Menschen berühren sich und bilden dadurch ein „menschliches Netz“. Ich beschäftige mich mit den “Negativ-Räumen”, die zwischen den sich berührenden Menschen entstehen. Diesen Negativraum, das Körperlose, stelle ich dar.
Er wird auf blaues Acrylglas übertragen und als Pattern (Pattern = Zeichen / Muster / Ornamiert) bezeichnet.
Als von lebensgroßen, menschlichen Konturen umgebene Fläche steht das Pattern für all das, was zwischen Menschen möglich ist, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn: Verbundenheit, Nähe, Intimität… aber auch Abneigung, Distanz
Durch das Zeigen von mehreren Patterns werden Konturen einzelner Menschen und ansatzweise das ursprüngliche „menschliche Netz“ wieder sichtbar.

Räumliches Netzwerk

In Kassel beginnend setze ich “blaue Zeichen” aus Glas. Das heißt, ich lasse Patterns dauerhaft in eine Wand oder Hausfassade ein. Es kann sich hierbei nur um öffentliche – für die Öffentlichkeit sichtbare – Orte handeln.
Durch das Hinzukommen von immer neuen Orten mit immer neuen Patterns entsteht ein Netzwerk: Patterns that connect.
Die blauen Patterns repräsentieren das Gemeinsame und Verbindende.